Modellprojekt Entgeltgleichheit
»Weil Frau es sich mehr als verdient hat«
Über Geld spricht man nicht? Weil Frau in Sachsen es sich mehr als verdient hat, ist es jetzt an der Zeit das zu ändern. Das »Modellprojekt Entgeltgleichheit« trägt hier gezielt zu mehr Transparenz und Bewusstseinsbildung bei.
Hintergrund des Modellprojektes war die Vereinbarung der Koalitionspartner in der Legislatur von 2019 bis 2024 »mit dem Ziel einer gerechten Entlohnung von gleicher und gleichwertiger Arbeit … gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschlechterspezifische Entgeltstrukturen schrittweise« abzubauen. Das »Modellprojekt Entgeltgleichheit« beinhaltet »Maßnahmen zur Information und Beratung über die Themen Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz für Beschäftigte im Freistaat Sachsen«.
Das Modellprojekt ist mit einer Bestandsaufnahme durch die fortgeschriebene Studie des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden im Freistaat Sachsen gestartet. Aufbauend auf den Studienergebnissen werden an dieser Stelle regionenspezifische Kartenviewer für den Freistaat Sachsen und weiterführende Informationen für Beschäftigte und Arbeitgebende zur Verfügung gestellt.
Ziel war und ist es, Transparenz zu schaffen und zur Bewusstseinsbildung beizutragen. Lohndiskriminierungen sind in der Regel nicht beabsichtigt und haben erhebliche Auswirkungen auf gesellschaftliche Chancen zur Teilhabe von Frauen. Dazu hatte das Gleichstellungsministerium in Kooperation mit dem DGB Sachsen unter Mitwirkung von Expertinnen und Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis die vierteilige Workshopreihe »Gender Pay Gap in Sachsen« durchgeführt. Als Ergebnispapier wurde im September 2023 der Maßnahmenkatalog »Entgeltgleichheit in Sachsen« veröffentlicht. Die Abschlussdokumentation der Workshopreihe wurde im März 2024 herausgegeben und das Modellprojekt mit drei Fachgesprächen fortgeführt.
Das Thema wird fortlaufend in der Arbeitsgruppe »Arbeitsmarkt für Frauen« der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) behandelt. Der Freistaat Sachsen setzt sich über den Bundesrat und die GFMK für eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein, wie beispielsweise die zügige Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie 2023/970 in deutsches Recht bis Juni 2026.
Wie aber kann ich mich als Beschäftigte über die Gehaltsstruktur in meinem Unternehmen informieren? Wenn Sie in einem Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten arbeiten, steht ihnen gegenüber ihrem Arbeitgebenden seit Januar 2018 gemäß § 10 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ein individueller Auskunftsanspruch auf Mitteilung des Vergleichsgehalts einer Mitarbeitendengruppe von sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts und die Kriterien der Entgeltfindung zu. Dieser hat schriftlich zu erfolgen (Siehe Musterformulare). Der Anspruch kann alle zwei Jahre geltend gemacht werden.
Da jedoch viele Frauen in Sachsen eher in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger Beschäftigten arbeiten, haben sie keinen rechtlichen Auskunftsanspruch. Lohndiskriminierung ist jedoch in der Regel nicht beabsichtigt. Arbeitgebende können also immer freiwillig Auskunft über ein Vergleichsgehalt männlicher Beschäftigter geben. Suchen Sie also das Gespräch mit ihrer Führungsperson und lassen Sie sich durch ihre Betriebsräte und ihre Gleichstellungsbeauftragte beraten. Außerdem können sie sich mit ihren Fragen auch an das Antidiskriminierungsbüro Sachsen wenden.
Zur Vorbereitung ist die Recherche vergleichbarer Entgelte im Internet zu empfehlen, das mittlerweile verschiedene kostenlose Gehaltsrechner und Informationen über tarifliche Vergütung bereitstellt. Der seit 2020 in einer neuen Fassung verfügbare Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit kann beispielsweise nach über 4.000 Berufsbezeichnungen durchsucht werden und liefert das durchschnittliche Bruttoentgelt im gewünschten Beruf aus. Über Filtersuche kann neben den Angaben des Durchschnittslohns im jeweiligen Beruf in Deutschland oder den einzelnen Bundesländern der Verdienst auch nach Geschlecht und Altersgruppe unterschieden werden. Zu Verdiensten und Verdienstunterschieden bereitet zudem DESTATIS verschiedene Daten auf.
Was kann ich denn als Beschäftigte tun, wenn sich nach der Mitteilung des Vergleichsentgeltes männlicher Beschäftigter eine Entgeltdiskriminierung abzeichnet? Dann können Sie gegenüber dem Arbeitgebenden einen Anspruch auf angleichende Gehaltserhöhung geltend machen. Diese Anpassung kann freiwillig erfolgen oder muss gerichtlich im Wege einer Entgeltgleichheitsklage durchgesetzt werden. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wird übrigens beim Vorliegen der Gehaltsdifferenz bereits eine Entgeltdiskriminierung vermutet und es ist an den Arbeitgebenden nachzuweisen, dass diese nicht wegen des Geschlechtes erfolgt (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021, Az. 8 AZR 488/19).
Eine faire Lohnpolitik ist für viele Unternehmen in Sachsen ein Anliegen. Benachteiligungen von Frauen entstehen in der Regel eher unbewusst, weil einfach nicht genug Transparenz vorhanden ist. Deshalb lohnt sich die freiwillige betriebliche Prüfung, ob Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit tatsächlich gleich bezahlt werden.
Betriebsinterne Entgeltgleichheitsprüfungen nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sind zwar derzeit nur für Betriebe ab 500 Mitarbeitende verpflichtend. Nur diese haben auch eine Berichtspflicht. Allerdings können und sollten auch kleine und mittlere Unternehmen freiwillige betriebliche Prüfungen durchführen und damit Entgelttransparenz schaffen. Nur so können etwaige Ungleichheiten beseitigt und dies auch nachhaltig kommuniziert werden. Außerdem bringt die Digitalisierung eine Änderung von Tätigkeiten und Anforderungen an die Beschäftigten mit sich, auf die sie rechtzeitig reagieren können. Entgeltgleichheit ist ein Aushängeschild, durch das junge Beschäftigte gewonnen und zugleich qualifizierte Beschäftigte gehalten werden. Es bezeugt echte Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten.
Welche geeigneten Verfahren für Entgeltprüfungen gibt es? Für Lohngleichheitsanalysen stehen verschiedene Analysetools zur Verfügung, die im vom BMAS beauftragten FPI-Tool-Kompass beschrieben sind. Dazu gehören beispielsweise die Tools Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland (Logib-D), der Entgeltgleichheitscheck (eg-Check) oder das Tool Evaluierung von Arbeitsbewertungsverfahren (EVA-Liste). Mit dem Selbsttest Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Gleichstellungscheck) können zudem KMU in den vier personalpolitischen Themenbereichen Personalrekrutierung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelt und Kommunikation selber testen, ob Handlungsbedarf besteht und erhalten einfach umzusetzende Praxisempfehlungen. Der weltweit anerkannte Universal Fair Pay Check unter Schirmherrschaft des Bundesarbeitsministers ist ein weiteres international anerkanntes Prüfverfahren und bietet neben der Analyse auch eine Zertifizierung.
Das auf drei Jahre angelegte Unternehmensprogramm des BMFSFJ mit dem Portal »Entgeltgleichheit fördern« bietet weitere Informationen und Hilfestellungen. Im Rahmen des bundesweiten Unternehmenswettbewerbes »German Equal Pay Award« wurden zudem 2022 und 2023 von BMFSFJ Unternehmen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern in ihrem Betrieb einsetzen.